Klangschalen – Heilen mit Musik
Die vielfältigen Töne einer Klangschale durchdringen den Körper und wecken Emotionen. Sie laden in Räume ein, die nicht mehr zugänglich waren und erinnern an die Harmonie, die in jedem angelegt und immer vorhanden ist. Ein Angebot, das man auf sich wirken lassen sollte.


Von Christiane Tietze-Gerhards,

In der griechischen Mythologie galt Harmonia als Tochter von Mars und Venus – dem Kriegsgott und der Liebesgöttin. Wen wundert es da, dass das scheinbar harmlose Streben nach Harmonie soviel Dynamik beinhaltet, uns immer wieder neu nach ihr suchen lässt und sich oftmals der Worte so entzieht.

Kaum ein Medium kann dies so fühlbar werden lassen wie der Klang – denn dieser wirkt ja gerade über sein Gegenüber, die Stille, in seiner ganzen Intensität. Und hier wiederum faszinieren Klangschalen seit über 3500 Jahren Menschen auf dem Weg zu sich, denn ihr Klang kann "die Erleuchtung begünstigen", so ein buddhistischer Mönch.

"Eine Klangschale hören heißt fühlen", schreibt David Lindner in seinem Buch "Gesang der Stille".[i] Fast jeder kennt sie – die in warmen Tönen leuchtenden Metallschalen. In Deutschland wurden sie vor allem durch Peter Hess bekannt, den Begründer der Klangmassage. Inzwischen sind sie aus den meisten Heil- und Entspannungspraxen nicht mehr wegzudenken. Laut David Lindner gehören sie "zu den populärsten Klanginstrumenten überhaupt."[ii] Denn sie klingen nicht nur wunderschön und öffnen dem Hörenden und Fühlenden neue Räume, sie sind auch leicht zugänglich. Es braucht kein jahrelanges Training, mit ihnen Klänge zu erzeugen und so trauen wir uns, sie zu nutzen.

Ursprung der Klangschalen
Der erste Vorläufer der Klangschale ist die so genannte Standglocke. Sie wurde circa 1500 vor Christus in Ostasien in zum Teil ganz erstaunlicher Größe angefertigt. Man stellte sie auf ein Kissen oder eine andere Unterlage und schlug sie an. Hieraus entstanden dann im Laufe der Zeit die vor allem aus Nepal, Indien, Tibet, Japan und China bekannten metallenen Klangschalen. Die genaue Geschichte jedoch ist unbekannt. Oft werden die Schalen als "tibetische Klangschalen" bezeichnet, da sie von den buddhistischen Mönchen in ihren Zeremonien benutzt wurden. Doch es gibt auch Berichte, denen zufolge schon in dem vor dem Buddhismus verbreiteten Bön-Schamanismus Klangkörper verwendet wurden. Heute gibt es kaum noch echte tibetische Schalen, da durch die chinesische Besatzung Tibets nahezu alle religiösen Gegenstände vernichtet und das Spielen von Klangschalen als Ausübung religiöser Praxis verboten wurde.

Schalen aus Metall, Kristall oder Edelstein
Die verschiedenen Schalen können sehr unterschiedlich klingen, je nach Größe - diese rangiert von circa 200 Gramm bis zu 4 Kilogramm – und Metallzusammensetzung. Über die Beschaffenheit der Schlegel kann dieser Klang darüber hinaus noch stark variiert werden.

Doch neben all den verschiedenen Metallschalen gibt es die langsam bekannter werdenden Kristall- und neuerdings auch Edelsteinklangschalen.

Für mich haben die Kristallklangschalen eine ganz besondere Bedeutung, denn sie haben mir eine Brücke gebaut zur Heilarbeit mit Tönen und Klang, zu der ich ohne diese Schalen sicher nicht den Mut gehabt hätte. Niemals hätte ich nach meiner Medialen Ausbildung am Arthur Findlay College in Stansted gedacht, dass ich einmal mit Klang arbeiten würde - noch weniger mit dem Selbst-Tönen, im Musikunterricht in der Schule hatte ich ja immer nur die Lippen bewegt... Doch die Kristallschalen machten mir Mut. Ihr sphärischer Klang öffnete in mir so viele Türen; es war letztendlich so, als flossen die Töne von selbst aus mir heraus. Vielleicht auch, weil sie uns so ähnlich sind, denn sie bestehen aus Siliziumquarz – aus dem auch viele Verbindungen des menschlichen Körpers bestehen. Zum anderen haben sie einen wundervollen Klang, durchdringend, den Raum erfüllend, lebendig. Anders als die Metallklangschalen werden sie "gerührt", man reibt mit einem speziellen Schlegel am Rand der Schale entlang, was die erstaunlichsten, immer auf mehreren Ebenen erklingenden Töne produziert.

Nicht ganz korrekt heißt es oft, die Kristallklangschalen seien aus "Bergkristall" hergestellt. Das stimmt nur insofern, als dass sie zu 99,9 Prozent aus Siliziumquarz bestehen, aus dem eben auch Bergkristall besteht. Dieser Quarz wird pulverisiert und über weit 3000 Grad erhitzt und dann in die Schalenform gebracht. Ursprünglich wurden sie für die Halbleiterindustrie als Medium der Energiebündelung in der Herstellung von Kristall-Silizium Chips entwickelt. Erst seit rund 25 Jahren werden sie vor allem in den USA als Musikinstrumente benutzt, da sie eine ganz außergewöhnliche Wirkung auf den Körper haben. Wie bereits erwähnt besteht dieser, genau wie die Schalen, zu großen Teilen aus Silizium. Sogar auf molekularer Ebene enthalten unsere Zellen kristalline Kieselsäure, die unsere elektromagnetischen Energien ausgleicht, und diese hat die gleiche chemische Formel wie die Kristallklangschalen.

Schwingende Informationen
Somit ist der Effekt, den die Schalen haben, leicht nachzuempfinden. Wenn Sie in die Schale selbst Wasser geben und sie anschlagen, wird das Wasser sofort sichtbar auf die Schwingung reagieren. Das Gleiche geschieht in unserem Körper. Und da es zusätzlich die Grundfähigkeit von Silizium ist, Informationen zu speichern (daher die Verwendung in der Computerindustrie, bei Telefonen etc.), lassen sich die Schalen wunderbar nutzen, um über Intention spezifische heilsame Botschaften einzuschwingen. Die Töne der Schale wirken wie ein Transformator und Verstärker.

Die Intensität der Schalen ist ganz erstaunlich. Nicht nur, dass sie eine Klang-Spannweite von 5 Oktaven erreichen. Ihr Klang breitet sich auch über enorme Distanzen bis zu einem Kilometer aus und sie können, je nach Qualität der Schale, bis zu 10 Minuten nachklingen.[iii] Sie gehen über das für uns Hörbare hinaus, in einen weiteren Raum. So erfahren die Menschen oft tiefe Ruhe und Geborgenheit. Der Verstand schweigt und so wird oft der Weg zu schöpferischer Energie, Ressourcen und neuer Kraft frei.

Klang als Mikro-Massage
Bei einer Klang-Massage werden die klingenden Schalen um den Empfänger herum bewegt und teilweise auch auf seinem Körper platziert und angeschlagen. Dabei können Erinnerungen an die Zeit im Leib der Mutter wieder lebendig werden, wo wir umgeben waren vom Klang ihres Herzens und ihres Körpers. Forscher wie Alfred A. Tomatis und Vera Brandes haben nachgewiesen, dass diese Frequenzen das Gehirn stimulieren, es mit Energie versorgen und unmittelbar das Limbische System ansprechen, was direkt mentale und körperliche Heilimpulse auslöst.[iv] Erinnerungen an diese frühen Eindrücke werden durch die Obertöne, die bei jedem Klangschalenton mitschwingen, aktiviert.

Individuelle Resonanz
Die beim Reiben der Schalen entstehenden Obertöne wandern, überlagern sich und wirken ganz unterschiedlich auf jeden Anwesenden im Raum. Bei jedem Menschen ergibt sich eine andere Resonanz. Wir haben Klangheilkonzerte gemacht, in denen bei dem einen Zuhörer ein rausgesprungener Wirbel durch den Klang wieder reinrutschte, beim anderen löste sich eine Depression auf und eine andere Zuhörerin kam in Kontakt mit einem lange unzugänglichen Anteil ihrer Persönlichkeit. Kurz gesagt, nicht wir als Klangschalen-Spielende bestimmen, was geschieht, sondern in jedem Empfänger entsteht eine völlig eigene, persönliche Interaktion mit den Schalen. Es tun sich neue Hör-Welten auf, und jeder bekommt, was er braucht. Das besondere an Klangschalen ist ihr extremer Reichtum an Obertönen, die je nach Verwendungsart der Schale vollkommen unterschiedlich sein können. Sie tauchen den ganzen Körper in ein Klang- und Schwingungsbad und erinnern unser Wasser, jene zwei Drittel unseres Körpers, an die harmonische Ur-Schwingung.
 

Der Neurobiologe Prof. Gerald Hüther zeigt in seinen Arbeiten über das Gehirn immer wieder, dass letztendlich alle entscheidenden Kompetenzen in uns verankert sind, es geht nur darum, diese wieder "freizuschalten". Und Tomatis sagt über seine Arbeit "Ich behandle keine Kinder. Ich wecke sie auf".[v] Ich finde diese achtungsvolle Haltung so heilsam, es ist schon alles da, es gibt eine harmonische Ordnung, und mit ein wenig Unterstützung ist unser System in der Lage, sich wieder neu auszurichten und diese Fähigkeiten zu nutzen. Hier kann Klang eine Brücke sein zu einem Jetzt der Gestaltungskraft und Heilung. An diese Grundharmonie erinnern uns die Kristallklangschalen.

Inzwischen gibt es mehrere Erscheinungsformen der Kristallklangschalen. Die gefrosteten Schalen mit circa 0,5 bis 1 Zentimeter dicker Wand sind die erste Generation. Sie werden mit einem Gummischlegel angeschlagen und dann "gerührt". Sie sind – zumindest für Kristallklangschalen – relativ robust, können intensiv an Menschen aber auch zur Reinigung und Energetisierung von Räumen eingesetzt werden. Noch neuer sind Edelsteinklangschalen, in denen zu dem Kristallquarz noch verschiedenste Edelsteine oder Edelmetalle zugefügt werden. Deren Energie wird über die Schalen potenziert, aufgeschwungen. So öffnet sich ein ganz neuer Raum, sie wirken über die feinstofflichen Körper hinaus und verbinden – so der Erfahrungsbericht vieler Klienten – mit einer Art kosmischem, göttlichem Raum.

Klang und Intuition

Siliziumquarz (wie auch Bergkristall) birgt in sichdie Farben des Regenbogens – daher wirken alle Schalen auch auf alle Energiezentren beziehungsweise Chakren, wenngleich auch hier eine Zuordnung von bestimmten Schalen zu den einzelnen Chakren möglich ist. Hier gibt es kein "richtig" oder "falsch", denn es wirkt. Und so werden die Schalen auch gewählt – intuitiv, sie sprechen uns an.

Das Wort "Intuition" leitet sich von dem lateinischen „intueri“ ab, was „anschauen“, „betrachten“ und „erwägen“ bedeutet. So wird Intuition als ein ganzheitliches Wahrnehmen betrachtet. Intuitive Erkenntnisse sind nicht auf verstandesmäßige Schlussfolgerungen zurückzuführen, sie sind ‚einfach da’. Der Vorteil bei diesem ‚sechsten Sinn’, unserem Bauchgefühl, ist, dass er unendlich schnell arbeitet und so wurde Intuition als kreatives Mittel auch gerade von den großen Denkern durchaus geschätzt. Der Mathematiker Henry Poincaré beschrieb sie in seinem Werk „Intuition and Logic in Mathematic“ als "das Mittel zur Erfindung".

Intuition als therapeutisches Mittel?
Die Frage ist nun: Kann und darf Intuition beim Klang als therapeutisches Mittel eingesetzt werden? Hierzu schreibt David Lindner: "Es braucht Klang-Schamanen, die nicht genau wissen, was sie tun. Es braucht Menschen, die darauf vertrauen, dass in den Klängen etwas verborgen liegt, was wirkt. Und natürlich muss man alles loslassen, was man sich so über Heilung und Krankheit gedacht hat. Wie sonst sollte man verstehen."[vi] Was ich an den Schalen so liebe, ist das Entstehen von fast kindlicher Freude beim Anschlagen, beim Reiben und Spielen (!), die in der Verbindung zu den sphärischen, über-irdischen Klängen eine äußerst heilsame Botschaft gibt: ich darf mich loslassen, darf ausprobieren und mal reinhören, darf laut und leise, zart und penetrant sein – und es wirkt. Ich muss nicht die Verantwortung für das Geschehen im Hörenden übernehmen, ich darf ganz bewusst einfach in Resonanz gehen, so wie Wellen schaukeln, kommen und gehen. Gunter Schmidt sagt: „Die Bedeutung eines Satzes, eines Ereignisses bestimmt einzig und allein der Empfänger“. Übertragen auf die Klänge bedeutet das, die Wirkung der Klänge bestimmt das Körper-Seele-Geist-System des Empfängers. Und das ist gut so. Denn das, was allem Missgestimmten, aus der Balance Gefallenen, zugrunde liegt, ist Harmonie - Ihre, meine ganz persönliche, einzigartige Form des Seins – die zum Klingen kommt.

 

In der nächsten Folge von „Schwingende Welten“ wird Christiane Tietze-Gerhards zusammen mit Wolfgang Bossinger das Projekt „Singende Krankenhäuser“ vorstellen.

 

Zitate:

"Höre , so wird deine Seele leben" (Buch Jesaja, Altes Testament", Madel/Henneges 1997, S. 226) Zitat aus Koller
 

Kaum jemand, der den Klang einer solchen Schale hört, wird sich im entziehen können, er öffnet uns, klingt für viele wie ‚zu Hause sein’.


[1] Lindner, David: "Gesang der Stille", Traumzeit-Verlag, Battweiler 2002, S. 5

[1] Lindner, s. o., Vorwort

[1] vgl. Lindner, S. 34

[1] vgl. Koller, Christina Maria: „Der Einsatz von Klängen in pädagogischen Arbeitsfeldern“, Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2007, S 74

[1] Zitiert nach Campbell, 2000, S. 72 Die Heilkraft der Musik, Klänge für Körper und Seele, Droemer Knauer, München.

[1] Bossinger, Wolfgang und Eckle, Raimund (Hg.): „Schwingung und Gesundheit, Neue Impulse für eine Heilungskultur aus Musik, Kunst und Wissenschaft“, Traumzeit-Verlag, Battweiler 2007, S. 365